Zulässigkeit in AGB zum Ferneingriff in die Auflademöglichkeit einer Batterie

Zulässigkeit in AGB zum Ferneingriff in die Auflademöglichkeit einer Batterie

Fernsperrung einer Batterie in den AGB erlaubt?

Die Entscheidung des BGH befasst sich mit der Frage, ob eine Klausel in allgemeinen Geschäftsbedingungen wirksam ist, die dem Vermieter einer Autobatterie für Elektrofahrzeuge erlaubt, die Auflademöglichkeit der Batterie mittels Fernzugriffs zu sperren, wenn der zugrunde liegende Mietvertrag für die Überlassung der Batterie gekündigt wird.

A. Sachverhalt

Die Beklagte vermietet Batterien für Elektrofahrzeuge. Diese Batterien müssen regelmäßig geladen werden, damit das Fahrzeug genutzt werden kann. Über einen Fernzugriff besteht für die Beklagte die Möglichkeit, die Batterie für weitere Aufladungen zu sperren. Die Batterien sind zudem herstellergebunden und mit dem Elektrofahrzeug verknüpft, sodass der Mieter keine Möglichkeit hat, die gesperrte Batterie durch ein anderes Fabrikat zu ersetzen, um das E-Fahrzeug weiter betreiben zu können.

In den von der Beklagten verwendeten Mietverträgen ist die folgende Klausel enthalten:

XVI

„Folgen der Beendigung der Leistungserbringung durch die Vermieterin

Im Falle der außerordentlichen Vertragsbeendigung infolge Kündigung wird die Vermieterin die Sperre der Wiederauflademöglichkeit der Batterie zunächst mit 14-tägiger Frist vorher ankündigen. Die Androhung kann auch zusammen mit der Kündigung erfolgen. Die Vermieterin ist in diesem Fall nach Ablauf der Ankündigungsfrist berechtigt, ihre Leistungspflicht einzustellen und die Wiederauflade-möglichkeit der Batterie zu unterbinden. Die Geltendmachung des Herausgabeanspruchs bleibt hiervon unberührt.“

Der Kläger ist ein nach § 4 UKlaG zugelassener Verbraucherschutzverein und nimmt die Beklagte auf Unterlassung der Verwendung der oben genannten Klausel in Anspruch.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung der Verwendung von Nr. XVI ihrer AGB gegenüber Verbrauchern verurteilt. Das Berufungsgericht hat die von der Beklagten eingelegte Berufung zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Beklagte mit ihrer Revision.

B. Überblick

In dem vom BGH zu entscheidenden Fall wird die Wirksamkeit der Klausel durch einen Verbraucherschutzverein angegriffen, was zur Folge hat, dass die Anspruchsgrundlage sich aus dem UKlaG ergibt. Nach dessen § 1 UklaG kann derjenige der unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) verwendet von in § 4 UKlaG einzeln aufgeführten qualifizierten Einrichtungen auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

Diese Anspruchsgrundlagen dürften den meisten Bearbeitern in einer Klausur unbekannt sein, die Grundstruktur lässt sich allerdings ohne Weiteres aus dem Gesetz entnehmen. Erforderlich ist, dass ein Verwenden von Bestimmungen an AGB vorliegt, die nach den §§ 307 bis 309 des Bürgerlichen Gesetzbuchs unwirksam sind.

Darüber hinaus wäre es für einen Klausurersteller zudem möglich, die der Entscheidung zugrundeliegenden Rechtsfragen in eine sachenrechtliche oder schadensersatzrechtliche Fallgestaltung einzubetten.

Unabhängig davon wie der Einstieg in die Prüfung gestaltet wird, liegt der Schwerpunkt in der Prüfung der Wirksamkeit der von der Beklagten in ihren AGB verwendeten Klausel zur Fernabschaltung der Auflademöglichkeit der Batterie.

Bei einer solchen Prüfung sollte grundsätzlich nach dem folgenden Prüfungsschema vorgegangen werden:

I. Sachlicher Anwendungsbereich

1. Vorliegen von AGB, § 305 Abs. 1 BGB

Es müssen allgemeine Geschäftsbedingungen vorliegen. Diese sind in § 305 Abs. 1 BGB definiert. AGB sind danach für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die vom Verwender bei Vertragsschluss gestellt werden.

2. Keine Umgehung, § 306a BGB

Weiterhin setzt der sachliche Anwendungsbereich der AGB-Kontrolle voraus, dass keine Umgehung stattfindet. Nach § 306a BGB gelten die §§ 305 ff. BGB auch für solche Klauseln, die nicht wie AGB aussehen, aber doch AGB darstellen.

3. Keine Ausnahme: § 310 IV BGB

Zudem darf bei der AGB-Kontrolle keine Ausnahme nach § 310 IV BGB vorliegen. Danach ist eine AGB-Kontrolle beispielsweise bei Gesellschaftsverträgen ausgeschlossen.

II. Persönlicher Anwendungsbereich

1. Einbeziehung, § 305 II, III BGB

Hier geht es insbesondere um die Einbeziehung der AGB in den Vertrag. Die Voraussetzungen hierfür ergeben sich aus § 305 Abs. 2, 3 BGB.

2. Vorrang der Individualabrede, § 305b BGB

Bei der AGB-Kontrolle gilt zudem nach § 305b BGB der Vorrang der Individualabrede. Eine Einbeziehung der AGB erfolgt somit nicht, wenn eine vorrangige Vereinbarung zwischen den Parteien besteht.

3. Überraschungsklausel, § 305c BGB

Ebenso scheitert eine Einbeziehung in der AGB-Kontrolle, wenn eine Überraschungsklausel gemäß § 305c BGB vorliegt.

III. Inhaltskontrolle

Nach der Prüfung des sachlichen und persönlichen Anwendungsbereichs folgt bei der AGB-Kontrolle die Inhaltskontrolle. Dies gilt jedoch nur, wenn die AGB von den gesetzlichen Regelungen abweichen.

1. § 309 BGB

Bei der AGB-Kontrolle kann eine Unwirksamkeit bei Klauseln ohne Wertungsmöglichkeit gemäß § 309 BGB entstehen. Hier ist gegebenenfalls § 310 Abs. 1, 2 BGB zu beachten, da bei AGB, die gegenüber Unternehmern verwendet werden, eine Kontrolle nach § 309 BGB nicht erfolgt.

2. § 308 BGB

Gleiches gilt für eine Unwirksamkeit nach § 308 BGB, den sogenannten Klauseln mit Wertungsmöglichkeiten. Werden AGB gegenüber Unternehmern verwendet, richtet sich die Inhaltskontrolle folglich nur nach § 307 BGB.

3. § 307 BGB

§ 307 BGB ist ein Auffangtatbestand und regelt die Unwirksamkeit von Klauseln, die eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners bedeuten. Hier gilt es § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB zu beachten. Setzt ein Unternehmer gegenüber einem Verbraucher AGB ein, dann sind die Begleitumstände für die Frage, was eine unangemessene Benachteiligung ist, zu berücksichtigen.

IV. Rechtsfolgen

1. Wirksamkeit des Vertrages, § 306 Abs. 1, 3 BGB

Die Rechtsfolge der AGB-Kontrolle ist bei Feststellung des Verstoßes der AGB gegen die §§ 307, 308 oder 309 BGB die grundsätzliche Wirksamkeit des Vertrags gemäß § 306 Abs. 1, 3 BGB, es sei denn der Vertrag ergibt ohne die Klausel keinen Sinn oder ist ohne diese nicht mehr zumutbar.

2. Gesetzliche Regeln, § 306 Abs. 2 BGB

Weiterhin ist Rechtsfolge der AGB-Kontrolle, dass anstelle der unwirksamen Klausel die gesetzlichen Regeln treten, vgl. § 306 Abs. 2 BGB. Hierbei ist darauf zu achten, dass keine geltungserhaltende Reduktion vorgenommen werden darf. Verstoßen die Klauseln gegen die §§ 305 ff. BGB, darf man sie nicht schrumpfen und auf ein passendes Maß zurückstufen. Vielmehr ist die Klausel insgesamt unwirksam.

C. Entscheidung

Die besondere Konstellation der Entscheidung, dass ein Verbraucherschutzverband nach § 1 UklaG auf Unterlassung klagt, erlaubt es dem BGH direkt die Frage der (Un-)Wirksamkeit der streitgegenständlichen Klausel zu prüfen. Die Prüfung des BGH beginnt daher in dem oben genannten Prüfungsschema bei der Inhaltskontrolle nach III. Je nach Fallgestaltung könnte in einer Klausur allerdings durch Abwandlung des Sachverhalts ein anderer Einstieg erforderlich werden. So könnte z.B. der Mieter, nachdem diesem die Auflademöglichkeit gesperrt wurde, auf Beseitigung der Störung klagen (dann dürfte ein Einstieg über §§ 1004 iVm. 858 BGB zu prüfen sein) oder auf Schadensersatz, weil der Mieter sich aufgrund der Sperrung ein Ersatzfahrzeug angemietet hat (dann dürfte ein Einstieg über §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB erfolgen). In einem solchen Fall empfiehlt es sich dann, das oben genannte Schema zumindest gedanklich durchzuprüfen, um etwaige im Sachverhalt eingebaute Probleme zu erkennen. Zumindest zum Vorliegen von AGB und der wirksamen Einbeziehung dieser sollten zudem kurze Ausführungen in einer Klausur enthalten sein.

Maßgeblicher Schwerpunkt der Entscheidung ist sodann die Inhaltskontrolle. Da eine Unwirksamkeit weder aus § 309 BGB noch aus § 308 BGB folgt, richtet sich der Prüfungsmaßstab nach dem § 307 BGB als Auffangtatbestand.

1. Unwirksamkeit nach § 307 BGB wegen verbotener Eigenmacht

a) Begründung des OLG Düsseldorf

Das OLG Düsseldorf hat eine Unwirksamkeit der Klausel nach § 307 BGB mit dem Argument bejaht, dass eine verbotene Eigenmacht nach § 858 Abs. 1 BGB vorliege.

Es liege eine Besitzstörung vor. Zwar habe der Mieter auch nach der Sperrung der Wiederauflademöglichkeit noch die faktische Sachherrschaft über die Batterie. Er könne diese aber nicht mehr bestimmungsgemäß nutzen, um sie aufzuladen, in seinem Elektrofahrzeug einzusetzen und sich damit fortzubewegen. Die Möglichkeit der Nutzung sei jedoch Bestandteil der tatsächlichen Sachherrschaft und damit des Besitzes. Durch das Sperren der Auflademöglichkeit werde die Einwirkungsmacht des Mieters eingeschränkt.

Da die streitgegenständliche Klausel gegen die Vorschrift des § 858 Abs. 1 BGB verstoße bzw. eine unberechtigte Selbsthilfe im Sinne von § 229 BGB ermögliche, sei sie unwirksam und es bedürfe keiner weiteren Abwägung, ob die Klausel auch aus anderen Gründen unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB sei.

b) Begründung des BGH

Der BGH lässt anders als das OLG Düsseldorf die Frage nach der verbotenen Eigenmacht im Ergebnis offen. Nach den Ausführungen des BGH stelle der Fernzugriff auf die vermietete Batterie eine Besitzbeeinträchtigung dar. Da durch den Eingriff die Steuerung der vermieteten Batterie beeinflusst werde, handele es sich um eine Einwirkung auf die Sachsubstanz. Der digitale Eingriff in die Steuerung der Mietsache unterscheide sich insoweit nicht von einem körperlichen Eingriff in eine elektronische oder mechanische Steuerung der Sache.

Auch eine im Rahmen des § 858 BGB zu berücksichtigende tatbestandsauschließende Einwilligung („ohne dessen Willen“) könne vorliegend nicht angenommen werden. Selbst wenn in dem Abschluss des Mietvertrages eine solche Einwilligung gesehen werde, müsse diese zum Zeitpunkt der Besitzbeeinträchtigung noch vorliegen. Die streitgegenständliche Klausel gilt nach ihrem Wortlaut jedoch ausnahmslos auch wenn der Mieter der Sperrung widerspricht.

Der BGH wirft jedoch sodann die Frage auf, ob die Beklagte Mitbesitzerin der Batterie ist. In einem solchen Fall bestünde nach § 866 BGB ein Besitzschutz unter den Mitbesitzern nur gegen eine (vollständige) Entziehung des Besitzes, der vorliegend nicht gegeben sei. Es erscheine zwar zweifelhaft, ob allein die Sperrmöglichkeit, von der die Beklagte nur nach Vertragsbeendigung Gebrauch machen will, Mitbesitz begründe, darauf komme es im Ergebnis allerdings nicht an. Der BGH lässt die Frage nach dem Besitzschutz an dieser Stelle offen und verweist auf seine weitere Prüfung nach den allgemeinen Grundsätzen des § 307 BGB.

In einer Klausur sollte der § 858 BGB im Rahmen des § 307 BGB ebenfalls geprüft werden. Entweder kann an dieser Stelle dann mit dem BGH die Entscheidung offengelassen werden oder es erfolgt eine Entscheidung zu der Frage des Mitbesitzes (wobei die Tendenz des BGH an dieser Stelle ganz klar dahin geht, einen Mitbesitz abzulehnen). Unabhängig davon sollte aber in jedem Fall ausgeführt werden, dass - auch wenn ein Mitbesitz abgelehnt wird- die Klausel auch ohne Rücksicht auf einen etwaigen Besitzschutz nach § 307 BGB unwirksam sein kann.

2. Unwirksamkeit nach § 307 BGB aufgrund unangemessener Benachteiligung

Der BGH stützt seine Entscheidung darauf, dass die Klausel auch ohne Rücksicht auf einen etwaigen Besitzschutz eine einseitige Vertragsgestaltung darstelle, mit der die Beklagte missbräuchlich die eigenen Interessen auf Kosten der Mieter durchzusetzen versuche, ohne deren Interessen angemessen zu berücksichtigen.

Durch die Regelung werde die Klagelast abweichend von der herkömmlichen Risikoverteilung auf den Mieter abgewälzt. Grundsätzlich sei die gesetzliche Risikoverteilung beim Mietverhältnis dadurch geprägt, dass der Vermieter aufgrund der Überlassung des Mietobjekts das Risiko der nach Mietvertragsbeendigung fortgesetzten (Ab-)Nutzung trage. Dagegen könne er sich wiederum durch Vereinbarung einer Mietkaution absichern. Außerdem stehe ihm ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung nach § 546a BGB zu.

Bei der vorliegenden Möglichkeit, die Auflademöglichkeit zu sperren, trage dagegen der Mieter das Risiko, insbesondere wenn die Wirksamkeit der Kündigung zwischen den Vertragsparteien streitig sei. Berufe sich etwa der Mieter auf eine Mietminderung oder ein Zurückbehaltungsrecht wegen Mängeln, so laufe er Gefahr, dass der Vermieter ungeachtet dessen die Kündigung erklärt und das Mietobjekt per Fernzugriff sperrt.

Da der Mieter keine zumutbare Möglichkeit hat, die Batterie auszutauschen, habe die Beklagte die Möglichkeit, das gesamte Elektrofahrzeug und damit neben der Batterie ein wesentlich höherwertigen Vermögensbestandteil für den Mieter unbrauchbar zu machen. Letztlich müsse daher bei einem Streit um die Wirksamkeit der Kündigung der Mieter mit den Rechtsverfolgungskosten in Vorleistung treten, um sich die weitere Vertragserfüllung zu sichern und das Fahrzeug weiter nutzen zu können.

Der mit der Sperrung einhergehende Ausschluss von der Nutzung der Batterie und folglich auch des E-Fahrzeugs kehre daher mit der Klagelast nicht nur das gesetzliche Leitbild um, sondern gehe mit seinen Wirkungen über das Mietobjekt wesentlich hinaus. Eine solche Gestaltung lasse sich nach dem BGH durch das Interesse der Beklagten an der Sicherung gegen den mit der Abnutzung der Batterie nach Vertragsbeendigung verbundenen Vermögensschaden nicht rechtfertigen.

Die Klausel ist daher nach dem BGH unwirksam und die Revision hat keinen Erfolg.

D. Prüfungsrelevanz

Das Urteil des BGH betrifft mit der Prüfung der Wirksamkeit von Klauseln in AGB einen absoluten Dauerbrenner im Examen. Über eine leichte Abwandlung des Falls kann die Thematik zudem ohne viel Aufwand in einen schuldrechtlichen oder sachenrechtlichen Rahmen eingebunden werden, was die Thematik für einen Klausurersteller doppelt interessant machen dürfte. Wichtig bei der Bearbeitung ist je nach Fallgestaltung den richtigen Einstieg zu finden und bei der Kontrolle nach § 307 BGB die entsprechende Tiefe in der Argumentation zu erreichen.

(BGH, Urteil vom 26. Oktober 2022, Az.: XII ZR 89/21)