BGH zu Plagiatsvorwürfen und Recht auf Vergessenwerden

BGH zu Plagiatsvorwürfen und Recht auf Vergessenwerden

Doppelter Plagiatsvorwurf gegen ehemalige Jura-Dozentin

Doppelter Plagiatsvorwurf gegen ehemalige Jura-Dozentin: Ein Journalist berichtete über die Plagiatsvorwürfe der Juristin, sie klagt auf Unterlassung. Im Rechtsstreit kamen das LG und das OLG zu unterschiedlichen Auffassungen – der BGH musste ran.

Worum geht es?

In einer jungen Entscheidung des BGH hat das Gericht einen Unterlassungsanspruch einer ehemaligen Jura-Dozentin abgelehnt, die gegen die Berichterstattung eines Journalisten vorgehen wollte. In mehreren Artikeln schrieb er unter Namensnennung über Plagiatsvorwürfe gegen die Klägerin. Um weitere Beiträge zu verhindern, nahm die Klägern den freien Journalisten, der unter anderem in der FAZ über sie schrieb, vorbeugend auf Unterlassung in Anspruch.

Vor dem LG Frankfurt am Main hatte sie noch Erfolg, doch das OLG Frankfurt am Main wies ihre Klage ab. Der BGH musste ran und traf spannende Ausführungen zum „Recht auf Vergessenwerden“ bei wissenschaftlichen Arbeiten.

Doppelter Plagiatsvorwurf gegen Jura-Dozentin

Doch welche Art der Berichterstattung möchte die ehemalige Jura-Dozentin unterbinden lassen? Vor einigen Jahren traten gleich zwei Plagiatsvorwürfe gegen die Juristin auf: Der eine Vorwurf richtete sich gegen ihre Promotions-, der andere gegen ihre Habilitationsschrift, die auch vom BVerfG zitiert wurde und die Europäische Zentralbank behandelte. Daraufhin verzichtete sie auf die Bezeichnung „Privatdozentin“ und wurde auf ihr Verlangen aus dem Beamtenverhältnis auf Lebenszeit entlassen. Der Rechtsstreit um die Plagiatsvorwürfe läuft noch: Zwar unterlag die Juristin beim zuständigen Verwaltungsgericht, das Berufungsverfahren ist aber noch anhängig.

Dieser Fall des „Doppel-Plagiats“ weckte die Aufmerksamkeit des Journalisten und er berichtete über die Vorwürfe. Muss er zukünftige Berichte unterlassen?

BGH verneint Unterlassungsanspruch

In dem Verfahren ging es um die Abwägung der in Rede stehenden Grundrechte. Auf der einen Seite steht das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin, das von der Berichterstattung berührt werde. Allerdings könnte das unter die Meinungs- und Pressefreiheit des Journalisten fallen. Nach Ausführungen sei ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiege. Ist das hier der Fall?

Schaue Dir hier die Lerneinheit zur Meinungsfreiheit gem. Art. 5 I 1 1. Fall GG an
Klausurrelevante Lerneinheit

Für solche Konstellationen wurden bereits in vergangenen Entscheidungen Kriterien entwickelt, die in Anlehnung an das „Recht auf Vergessenwerden“ in die Abwägung miteinbezogen werden müssten. Unter Berücksichtigung des sogenannten Sphärenmodells müsste geprüft werden, welches öffentliche Interesse an der Berichterstattung bestehe oder wie intim ein etwaiger Eingriff in den Lebensbereich sei.

Der BGH könne nicht feststellen, dass diese Abwägungsentscheidung in jedem Falle zugunsten der Klägerin ausfalle und verneinte somit einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch. Es sei nicht feststellbar, wie eine zukünftige Berichterstattung des Journalisten aussehen könnte. Dies reiche nicht aus, um einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch zu rechtfertigen, insbesondere unter Berücksichtigung der Bedeutung der betroffenen Grundrechte.

Berichterstattung betreffe lediglich Sozialsphäre

In seiner Entscheidung bezog sich das Karlsruher Gericht auf die Argumentation des OLG. Die Berichterstattung betreffe lediglich die Sozialsphäre der Klägerin, da die Ursache für die Artikel aus ihrer früheren beruflichen Tätigkeit stamme. Zwar habe sich die ehemalige Dozentin aus diesem vollständig zurückgezogen, die wissenschaftlichen Werke seien aber noch in der Welt. So seien sie in verschiedenen Bibliotheken zugänglich und würden noch heute einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung dienen. Dies spreche für ein berechtigtes Interesse für die Öffentlichkeit. Dabei könne auf eine Namensnennung der Klägerin auch nicht verzichtet werden, da sie persönlich verantwortlich sei – sie habe so gearbeitet, dass ihre Werke dem Plagiatsvorwurf ausgesetzt seien. Ein „Recht auf Vergessenwerden“ habe sie daher nicht.

Berichterstattung über Plagiate unterliegen anderem Maßstab

Anders als das LG hatte bereits die zweite Instanz den Unterlassungsanspruch abgelehnt – das LG wertete das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin höher. Der BGH stimmte aber dem OLG nun zu und führte aus, dass für die Berichterstattung über wissenschaftliche Plagiate andere Maßstäbe gelten würden. Das Gericht verglich die Konstellation mit der Verdachtsberichterstattung über Straftaten – welche Grundsätze da gelten, kannst Du in diesem Artikel nachlesen.

Bei einer wissenschaftlichen Arbeit begebe der/die Verfasser*in sich aber selbst in den öffentlichen Diskurs. Daher müssten die Vorwürfe eines Plagiats genauso ertragen werden wie begründete sachliche Einwände, so das OLG. Etwas anderes könne nach Auffassung des Gerichts nur gelten, wenn die Namensnennung der Klägerin zu schweren gesundheitlichen Folgen führen würde. Dies sei vorliegend aber nicht feststellbar.

Kein Anspruch aus § 1004 I 2 BGB analog

Die Anspruchsgrundlage, auf die sich die Klägerin stützte, findet sich übrigens in § 1004 I 2 BGB – in analoger Anwendung. Die Norm dient als vorbeugender Rechtsschutz, die Ansprüche aus § 1004 BGB können durch die anerkannte Analogie auf alle anderen von § 823 I BGB geschützten Rechte angewandt werden. Somit soll ein Rechtsinhaber die Möglichkeit bekommen, sich bereits vor einer Rechtsgutsverletzung – die er mit § 823 BGB in Form von Schadensersatz geltend machen kann – zu schützen. Wenn die Möglichkeit besteht, eine Rechtsgutsverletzung im Vorfeld zu verhindern, soll dies durch § 1004 I 2 BGB analog erzielt werden können.

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