Examensreport: ZR I 1. Examen aus dem Februar 2017 in Bremen

Sachverhalt (beruht auf einem Gedächtnisprotokoll)

L hat eine Landwirtschaft im Außenbereich der Stadt Bremen. Von der Bremer Landgesellschaft (BG), einem Unternehmen des Landes Bremen, das die öffentliche Aufgabe hat, den Grundstücksverkehr in der Landwirtschaft zu überwachen, kauft der L im Jahre 2005 zwei Flurstücke zu seiner bestehenden Landwirtschaft („Hofstelle“) hinzu. Im notariellen Kaufvertrag ist vorgesehen, dass die BG ein Wiederkaufsrecht zusteht, unter anderem, wenn der L die erworbenen Flächen nicht mehr dauerhaft als Landwirt bewirtschaftet. Die BG soll auch das Recht haben, auf das Wiederkaufsrecht zu verzichten, dann allerdings soll der L einen Wertausgleich zahlen. Die Höhe des Wertausgleichs soll sich aus der Differenz zwischen dem günstigen Kaufpreis und dem Marktwert des Grundstücks ergeben.
 
Im Jahre 2015 verstirbt der Sohn des L, der den Hof hätte übernehmen sollen. Der L beschließt daraufhin, die ursprüngliche Fläche („Hofstelle“), also nicht die beiden Flurstücke, an ein Lohnunternehmen zu verkaufen, das die Fläche auf eigene Rechnung weiter bewirtschaften soll.
 
Dies erfährt die BG und ist der Auffassung, dass der L nunmehr insgesamt keine Landwirtschaft mehr betreibe. Der Wiederkaufsfall sei eingetreten. Ein etwaiger Wertausgleichsanspruch wird mit 100.000 Euro taxiert.
 
Am 08.06.2015 fällt der L ist Koma. Am 10.06.2015 erhält die Ehefrau (E) des L ein Schreiben der BG, in dem die BG ihre Rechtsauffassung mitteilt. Zugleich unterbreitet die BG dem L in dem Schreiben das Angebot, mit einer einmaligen Zahlung von 80.000 Euro die Angelegenheit beilegen zu können.
 
Die E ruft am 12.06.2015 bei der BG an, und nimmt dieses Angebot im Namen des L an und überweist den Betrag. Sie geht dabei davon aus, im Sinne von L zu handeln. Als L aus dem Koma erwacht, ruft er erbost bei der BG an. Der E gesteht er, dass er allerdings auch nicht gewusst hätte, was er anders gemacht hätte.
 
Im Februar entschließt sich der L, noch einmal durchzustarten, und kauft von D eine angrenzende landwirtschaftliche Fläche. Dabei kommt es zu einem gerichtlichen Streit mit den Behörden über die hierfür erforderliche Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz (GrdstVG). In diesem Zusammenhang stellt das Gericht fest, dass der L trotz des Verkaufs seiner Hofstelle weiterhin als Landwirt i.S.d. GrdstVG anzusehen sein. Er unterhalte eine „unternehmerische Nebenerwerbslandwirtschaft“.
 
Nach dieser Entscheidung ist der L mehr denn je davon überzeugt, dass die 80.000 Euro zu Unrecht an die BG gezahlt worden seien, und fordert die BG zur Rückzahlung auf. Die Zahlung beruhe, das habe die Entscheidung gezeigt, auf einem großen Irrtum. L trägt ergänzend vor, dass der Vertrag, den seine Frau für ihn geschlossen habe, formunwirksam sei. Schließlich sei es um ein grundstücksbezogenes Geschäft gegangen. Außerdem sei das Ganze ohnehin nicht in seinem Sinne gewesen, was seine Frau während seines komatösen Zustandes gemacht habe.
 
Die BG trägt vor, dass der durch die E geschlossene Vertrag der Beilegung von eventuellen Streitigkeiten gedient habe. Ein Rückgriff auf den ursprünglichen Vertrag sei unzulässig. Im Übrigen seien Rechtsirrtümer ohnehin unbeachtlich. Gezahlt sei gezahlt.
 
**Frage:**Hat der L gegen die BG einen Anspruch auf Rückzahlung von 80.000 Euro?
 
Hinweis: Vorschriften des GrdstVG sind nicht zu prüfen.  

Unverbindliche Lösungsskizze

 
L gegen BG auf Rückzahlung von 80.000 Euro
 
A. § 812 I 1 1 . Fall BGB
 
I. Etwas erlangt
Hier: Gutschrift i.H.v. 80.000 Euro
 
II. Durch Leistung des L an BG
Hier: Aus Sicht aller Beteiligter handelt E für L.
 
III. Ohne Rechtsgrund  

  1. Vergleich, § 779 BGB
    = Unmittelbarer Rechtsgrund (also vorrangig vor dem Kaufvertrag zu prüfen)

 
a) Einigung, §§ 145 ff. BGB

  • Inhalt: Vergleich, § 779 BGB
  • Stellvertretung des L durch E, §§ 164 ff. BGB

 
aa) Eigene Willenserklärung der E (+)
 
bb) Im fremden Namen (+)
 
cc) Im Rahmen der Vertretungsmacht
(-);aber: Genehmigung im Innenverhältnis, §§ 177, 182, 184 BGB
 
b) Wirksamkeit des Vergleichs
 
aa) Formwirksamkeit
-> Verstoß gegen gesetzliche Formvorschrift, § 125 S. 1 BGB
-> Verstoß gegen § 313b I 1 BGB (-); Arg.: gilt nicht für Wertausgleich im Rahmen des Vergleichs (a.A. verterbar, dann aber evtl. Heilung nach § 313b I 2 BGB).
 
bb) Unwirksamkeit gem. § 779 I, II BGB
-> Vor.: Im Vergleich zugrunde gelegter SV entspricht nicht der Wirklichkeit (weite Auslegung)
Hier: Fehlerhafte Annahme, der L sei rechtlich nicht als Landwirt einzustufen wohl Rechtsirrtum. Die tatsächlichen Umstände, die zu dieser Einschätzung führten, waren nicht einmal streitig.
 
cc) Anfechtung, §§ 142, 119 ff. BGB
 
(1) Anfechtungsgrund
(aa) § 119 I 1. u. 2. Fall BGB (-)
 
(bb) § 119 II BGB
(-); Arg.: „Landwirt“ keine „Eigenschaft“, da nicht auf Dauer
 
(2) Ergebnis: (-)
 
dd) § 1365 BGB
(-); Arg.: zu wenig Anhaltpunkte
 
c) Ergebnis: Vergleich = Rechtsgrund
 
d) Einwendungen aus dem ursprünglichen Wiederkaufvertrag
(-); Arg.: Rückgriff ausgeschlossen bei wirksamen Vergleich
 
2. Ergebnis: (-)
 
IV. Ergebnis: (-)
 
B. Sonstige Anspruchsgrundlagen (-)